Eine eingeschworene Truppe: Wöchentlich treffen sich Mitglieder der Hösbacher Meistermannschaft von 1971 zum Spaziergang

In gewisser Weise ist es eine Ehrenrunde, die diese Männer seit Jahren einmal pro Woche drehen. Weniger feiern sie ihren größten sportlichen Erfolg, der ein halbes Jahrhundert zurückliegt, als vielmehr das, was ihn vor allem ermöglicht hat: Bis heute sind die ehemaligen Fußballer des FC Hösbach, die in der Saison 1970/71 den Titel in der Bezirksliga holten, eine eingeschworene Truppe.

»Die Kameradschaft war überragend«, erinnert sich Peter Paschold, der einst das Tor hütete. Ausschließlich aus »Hösbacher Buben«, die zuvor bereits in der Jugend erfolgreich zusammen gekickt hatten, habe die Mannschaft bestanden, betont er und ergänzt: »Es ist viel gelacht, auch viel Quatsch gemacht worden. Es hat einfach gepasst.« Ausgezahlt habe sich, dass der langjährige Vorsitzende Gustav Heeg – bis 1970 im Amt – ein starker Förderer des Nachwuchses gewesen sei.

Die Einkehr ist ein Muss

In wechselnder Besetzung treffen sich durchschnittlich zehn der Meisterspieler und ihnen verbundene Vereinsmitglieder zu einem rund zweistündigen Spaziergang mit geselligem Abschluss in einer Gaststätte. »Wenn wir nicht einkehren, brauchen wir es nicht zu machen«, sagt Rainer Hennrich im Rückblick auf die vergangenen Monate im Lockdown, in denen die Zusammenkünfte ausfielen. Der Kontakt sei dennoch nicht abgerissen, betont Hennrich, der 1970/71 seine erste Saison im Seniorenbereich bestritt. »Nur im ersten Spiel gegen Lohr habe ich gefehlt, ich weiß aber nicht mehr warum«, sagt der einstige Vorstopper Hennrich und fügt lachend an: »Urlaub kann es nicht gewesen sein. Das gab’s damals ja noch nicht.«

Fußball, Saison 1971, Bezirksliga-Meister: FC Hösbach

Heutzutage kommt es schon vor, dass der ein oder andere Fußball-Senior der Familie den Vorrang einräumt. »Mitunter ist der Ruf der Enkel lauter«, sagt Peter Paschold an einem Mittwoch kurz nach dem Start am Hösbacher Marktplatz. Nichtsdestotrotz seien die Treffen »ein fixer Termin, der hoch gehalten wird. Jeder bemüht sich«, sagt Hans de Beisac, der später in der Alte-Herren-Zeit dazustieß. »Bei Feierlichkeiten sind wir fast immer vollzählig.«

Wie bei der von Mai in den August verschobenen Jubiläumsfeier. Bei diesem Anlass schwelgten die Anwesenden durchaus in Erinnerungen an die Meistersaison. Ansonsten seien die alten Zeiten kaum noch ein Thema, sagt Paschold. An dem Tag, an dem unser Reporter die FCH-Senioren begleitet, geht es auf den ersten Metern um einen Spielabbruch am vorausgegangenen Wochenende. Ob er sich schon damit befasst habe, wird Erich Lippert gefragt, der als Beisitzer beim Sportgericht des Fußballkreises Aschaffenburg tätig ist. Vor 50 Jahren war er Jugendleiter beim FCH, später Vorsitzender des Clubs und stellvertretender Bürgermeister der Marktgemeinde, deren Ehrenbürger er auch ist. »Wenn wir was wissen wollen, fragen wir den Erich«, erzählt Rainer Hennrich.

Der aktuelle Sportgerichtsfall sei eher eine Ausnahme, sagt Lippert: »Es ist selten, dass wir uns in den unteren Regionen bewegen.« In der Regel würden sich die Gespräche um den Profifußball drehen, um Champions League und Bundesliga. Und selbstverständlich um das aktuelle Geschehen beim FC Hösbach, auch wenn dieser »nur« in der Kreisklasse spielt. Der Verein sei intakt, der Zusammenhalt groß, findet Erich Lippert. Die Verantwortlichen würden ganze Arbeit leisten. »Und beim Eventfeiern sind wir bisweilen mindestens 2. Bundesliga.«

Feld mit Handballern geteilt

Mittlerweile hat die Wandergruppe fast die Staatsstraße erreicht, die in den Kahlgrund führt. Einige vollbehangene Apfelbäume erregen die Aufmerksamkeit. Von hier aus führt der Weg wieder hinab in Richtung Gewerbegebiet, wo der FC Hösbach seit rund zwei Jahrzehnten beheimatet ist. Ziel an diesem Tag ist die Vereinsgaststätte »Frohnrad«.

Die Meisterschaft vor 50 Jahren feierten die Hösbacher Fußballer noch auf dem alten Clubgelände an der Aschaff, wo heute das Franz-Göhler-Stift steht. Auf den Außenbahnen Gras, in der Mitte Erde – so habe der Platz damals ausgesehen, erinnert sich Lippert. Unter anderem, weil neben den Fußballern die Feldhandballer darauf spielten. DJK Aschaffenburg habe einen »tollen Platz« gehabt, schwärmt Funktionär Lippert. Ex-Spieler Helmut Schäfer meint, der schönste sei in Güntersleben gewesen. Der dortige TSV stieg allerdings erst zur Spielzeit 1975/76 in die Bezirksliga auf und marschierte in die Landesliga durch.

Zurück zur Hösbacher Meistersaison: Am 20. Mai 1971, dem Vatertag, sicherte sich der FCH mit einem mühevollen 1:0 im Nachholspiel gegen Schlusslicht VfR Nilkheim den Titel, den Treffer erzielte Herbert Brand. Vier Tage zuvor hatte Alfred Heeg den Spitzenreiter vor 1000 Zuschauern zum vorentscheidenden 2:1-Erfolg gegen Verfolger TSV Karlburg geschossen – nach einer kleinen Schwächeperiode mit drei Niederlagen aus fünf Partien.

Trainerwechsel in Winterpause

Die positive Meldung aus dieser Phase: Beim 2:1-Erfolg in Margetshöchheim gab Spielertrainer und Toptorjäger Wolfgang Günther sein Comeback. Ein halbes Jahr zuvor hatte er sich beim 3:2-Erfolg in Großwallstadt, mit dem Hösbach die am Spieltag zuvor eroberte Spitzenposition behauptete, Schien- und Wadenbein gebrochen. Noch verletzt löste der nur 1,64 Meter große Sportstudent Günther in der Winterpause beim Tabellenführer den bisherigen Coach Kurt Seidel ab. »Wir haben gemerkt, es geht was. Er brachte mehr Zug rein, mehr Kondition«, erinnert sich Peter Paschold.

Die Abwehr sei »schon sehr konsequent« zur Sache gegangen, nennt der einstige Keeper einen weiteren Schlüssel zum Erfolg. »Wir hatten eine gute Mischung. Wir hatten die Kämpfer, aber auch die, die es nicht nur im Fuß hatten, sondern auch im Kopf.«

Nach dem Titelgewinn an Christi Himmelfahrt drehte die Mannschaft laut Paschold »unter Begleitung der Hösbacher Musikanten ihre Ehrenrunden auf dem Sportplatz unter reger Beteiligung der zahlreichen Zuschauer. Die ausgelassene Stimmung setzte sich bis zum späten Abend im Sportheim fort.«Startelf auf dem Bierdeckel

Drei Tage später trat der Meister zum letzten Spiel mit einer durcheinandergewürfelten Mann- schaft an. »Die Aufstellung gegen Niedernberg war eigentlich ein Gag«, erinnert sich Paschold. »nach dem Motto, was ihr Stürmer da vorne könnt, das können wir Verteidiger auch.« Auf einem – bis heute aufbewahrten – Bierdeckel habe Spielertrainer Günther die Formation notiert. Im Tor stand Hennrich, die Treffer beim 4:2-Sieg erzielten Erich Sauer, zweimal Rainer Walther sowie Günther selbst.

Neben dem Spielbericht stand am nächsten Tag im Main-Echo eine Meldung mit der Überschrift: »Hösbach steigt nicht auf«. Zehn Spieler hatten sich bei einer geheimen Abstimmung gegen den Aufstieg ausgesprochen, nur sechs dafür. »Ich war 26, hatte schon zwei Kinder. Ich hatte keinen Bock auf Landesliga«, sagt Peter Paschold. Er gehörte der Mehrheit an, die sich nicht mit weiteren Auswärtsfahrten und potenziell weniger Zuschauern anfreunden konnte: »Wir waren es gewohnt, vor großer Kulisse zu spielen.«

In den Partien um die unterfränkische Meisterschaft hatte der FC Hösbach gegen Eibelstadt mit 1:3 und 2:2 das Nachsehen. In den folgenden Bezirksliga-Jahren landete der FCH meist im Mittelfeld; am Ende der Saison 1977/78 folgte der Abstieg. Die erfolgreichste Zeit der Hösbacher Fußballer war vorüber. Geblieben ist bis heute die eingeschworene Truppe.

Quelle Main Kick, Autor Torsten Schmitt


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